Einführung

Foto Heinrich Scherer, 1703: Leopold-Sophienbibliothek Überlingen

Überlingen ist aus kulturhistorischer Sicht eine Stadt der Altersrekorde und Innovationen. Nur wenige andere Mittelzentren im deutschsprachigen Raum haben ähnlich viele Besonderheiten aufzuweisen. Exemplarisch seien hier folgende Besonderheiten genannt: In Überlingen-Goldbach haben sich Reste der ältesten Malereien des Bodenseeraums erhalten, datierbar in die Jahre um 840. Mehr noch: In der Goldbacher Silvesterkapelle stößt man, nach heutigem Kenntnisstand, auf das älteste erhaltene profane monumentale Stifterbildnis im gesamten europäischen Raum nördlich der Alpen. Bei diesem aus dem 10. Jahrhundert stammenden Stifterbildnis handelt es sich zugleich um das älteste erhaltene Ehepaarbildnis des deutschen Mittelalters. Und an der 1462 datierten Fassade des Reichlin-von-Meldegg-Hauses, dem heutigen Städtischen Museum, lassen sich die ältesten Einflüsse der italienischen Renaissance nördlich der Alpen nachweisen.

Eine Besonderheit ist auch der von der Kunstgeschichte gefeierte Hochaltar des Überlinger Münsters aus den Jahren 1613-16: Seine Konzeption demonstriert eines der ältesten Beispiele nördlich der Alpen für ein raumbezogen und mehransichtig konzipiertes Gesamtkunstwerk aus Skulptur, Architektur und Glasmalerei. Ein weiteres Novum: Seit 1709 verzeichnet das Überlinger Rathaus den ältesten Besitz einer ägyptischen Mumie in Süddeutschland. Spätestens seit jenem Jahr befand sich im Überlinger Rathaus eine der ältesten kommunalen, der Öffentlichkeit zugänglichen Kunst- und Wunderkammern in Deutschland. Darüber hinaus existiert in Überlingen seit 1832 die älteste öffentliche Bibliothek Badens, die Leopold-Sophien-Bibliothek.

Zu guter Letzt ein Blick ins 20. und 21. Jahrhundert: Im Oktober 1945 erfolgte im Überlinger Museumssaal die deutschlandweit erste Uraufführung nach Kriegsende eines Werks der vom NS-Regime verfemten zeitgenössischen Musik – es war die Deutschlandpremiere für Paul Hindemiths 1936 komponierte Sonate für Flöte und Klavier. Zugleich wurde damals im Überlinger Museum die nachweislich erste überregionale Ausstellung der bis dahin mit Ausstellungsverboten belegten modernen Kunst eröffnet, mit bedeutenden Werken der expressionistischen und abstrakten Malerei unter dem Titel „Deutsche Kunst unserer Zeit“. Im September 2009 schließlich wurde im Überlinger Kursaal eine Weltpremiere gefeiert: die Welturaufführung des verschollenen Klavierwerks „Ahnung“, ein von Robert Schumann komponiertes Miniaturstück. Dieses Konzertereignis war die bisher einzige Uraufführung eines Werks von Robert Schumann seit 1937.